Kurzinfo:
Für Bauprojekte ohne
Antrag, Anzeige, Kenntnisgabe oder Verfahren, ist
der "Beginn der Bauausführung" maßgeblich für die
jeweils geltenden Anforderungen. Bis einschließlich
30. Oktober 2020 wären es die EnEV und EEWärmeG und
ab 1. November 2020 das GEG 2020. Doch wann beginnt
die Bauausführung praktisch? Eine amtlich Auslegung
zur ersten EnEV vom 12. April 2002 liefert
überzeugende Argumente.
Am 1. November
2020 hat das neue Gebäudeenergiegesetz GEG 2020
die bisher parallel laufenden, bundesweiten,
energiesparrechtlichen Regeln für Gebäude
abgelöst. Es handelt sich um das
Energieeinsparungsgesetz (EnEG 2013), die
Energieeinsparverordnung (EnEV 2014 mit
verschärften Neubauanforderungen ab 2016) und
das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG
2011).
Für Bauherren, die
neue Projekte vorhaben oder bereits planen,
stellt sich die Frage, welche Regeln für ihr
Vorhaben gelten - die 'alten' oder bereits die
'neuen' Anforderungen? Bei Bauvorhaben, für die
der Bauherr
einen Antrag einreicht, eine Anzeige erstattet oder
die er der Gemeinde zur Kenntnis gibt,
beantwortet das Landesbaurecht die Frage, wann der
vom GEG definierte, maßgebliche Tatbestand - die
erfolgte Antragstellung, Anzeige oder
Kenntnisgabe - praktisch gegeben ist. Daraus
ergibt sich dann für das Bauprojekt, ob die
'neuen' oder 'alten' Anforderungen gelten.
Für Bauprojekte
ohne Antrag, Anzeige, Kenntnisgabe oder
Verfahren, ist der "Beginn der Bauausführung"
maßgeblich für die jeweils geltenden
Anforderungen. Bis einschließlich 30. Oktober
2020 wären es das EnEG, die EnEV und EEWärmeG
und seit dem 1. November 2020 ist es das GEG
2020. Doch wann beginnt die Bauausführung
praktisch, bzw. energiesparrechtlich gesehen? Dieser
kritischen Frage ist
bereits die 'Arbeitsgruppe EnEV' der Fachkommission
Bautechnik der Bauministerkonferenz nachgegangen und
hat zur allerersten EnEV 2002 am 12. April 2002 eine
amtliche Auslegung zum § 19 (Übergangsvorschrift)
Satz 2 beschlossen.
Wir nennen sie
"amtlich" weil die Bauämter sich nachweislich
daran orientieren. Jedoch Achtung: Diese vom
Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt)
staffelweise veröffentlichten Auslegungen zur
EnEV waren nie rechtsverbindlich! Ihre Argumente
dürften Sie jedoch als Berater, Planer,
Bauträger oder Bauherr auch interessieren. Sie
könnten auch für Ihre Projekte überzeugende
Aspekte liefern!
In der 'Arbeitsgruppe
EnEV' saßen Vertreter des Bundesbauministeriums und
der Bundesländer. Als die Arbeitsgruppe die erste
Staffel der EnEV-Auslegungen besprach und beschloss
waren auch Vertreter der Obersten
Bauaufsichtsbehörden der Länder Nordrhein-Westfalens
und Baden-Württembergs sowie des DIBt beteiligt. Sie
hatten Praxisfragen zur neuen EnEV mitgebracht, die
Planer und Bauherren an sie herangetragen hatten.
Dazu gehörte auch die
Frage, welcher Zeitpunkt als „Beginn der
Bauausführung“ gilt beim Übergang zu den neuen
Energieeinsparregeln der EnEV 2002. Sie hatte am 1.
Februar 2002 die
Wärmeschutzverordnung (WSchVO 1995) und
Heizungsanlagenverordnung (HeizAnlVO 1998)
abgelöst. Die Vertreter der Bundesländer haben sich
bei der Diskussion zur Auslegung auf folgende
Praxis-Szenarien bezogen, die „auf der Schneide“
zwischen den alten und neuen Regeln vorstellbar
sind:
-
Die Planung
ist bereits fortgeschritten
Die Architekten und involvierten Fachplaner haben bereits erhebliche
Leistungen für das Vorhaben erbracht wie
Berechnungen,
Leistungsverzeichnisse, usw.
-
Das
Baumaterial ist passend beschafft
Der Bauherr hat bereits die nach dem 'alten'
Recht passenden Baumaterialen besorgt.
Diese lassen sich nicht ohne weiteres für die
Ausführung nach neuem Recht einsetzen.
-
Die
'konkrete Ausführung' auf dem Grundstück hat
noch nicht begonnen.
Schlussfolgerung
der 'Arbeitsgruppe EnEV'
Die Mitglieder der Gruppe einigten sich darauf, dass
der „Beginn der Bauausführung“ gleichzusetzen sei
mit ...:
-
dem Zeitpunkt der „mengenmäßig nicht
unerhebliche Beschaffung von Material, das für eine
Ausführung nach neuem Recht ungeeignet ist“ sowie
-
... dem Abschluss der Ausführungsplanungen vor der
Verkündung der neuen energiesparrechtlichen
Regelungen.
Auf das GEG 2020 bezogen wäre es der 12.
August 2020, denn am 13. August 2020 wurde das Gesetz im
Bundesgesetzblatt verkündet.
Lesen Sie die Antwort
vom 12. April 2002 der 'Arbeitsgruppe EnEV' der
Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz.
Wir haben unsere zusätzliche Erläuterungen und
Kommentare in eckige Klammern gesetzt:
Frage:
Gilt die Energieeinsparverordnung oder noch die
Wärmeschutz- und die Heizungsanlagen-Verordnung,
wenn bei einem genehmigungs- und anzeigefreien
Bauvorhaben, an dessen Ausführung
energiesparrechtliche Anforderungen gestellt werden,
deutlich vor In-Kraft-Treten der EnEV bereits auf
der Grundlage des bisherigen Rechts...
-
erhebliche
Planungsleistungen (beispielsweise Berechnungen
der Fachplaner, Aufstellung von
Leistungsverzeichnissen) erbracht wurden
-
nach den
bisherigen Anforderungen bemessenes Baumaterial
(beispielsweise für ein Wärmedämm-Verbundsystem)
beschafft wurde, jedoch nicht vor dem 1. Februar
2002 mit der eigentlichen Bauausführung begonnen
wurde?
Antwort:
-
Für genehmigungs-
und anzeigefreie Bauvorhaben ist gemäß § 19
[Übergangsvorschrift] für die Stichtagsregelung
der Beginn der Bauausführung maßgeblich. Es
stellt sich demnach die Frage, inwieweit - auch
unter Beachtung der Tatsache, dass andernfalls §
17 [Befreiungen] über Befreiungen in Härtefällen
einschlägig sein könnte - die in der Frage
genannten Vorleistungen dem "Beginn der
Bauausführung" gleichzustellen sind.
-
Schon wegen der
sehr unterschiedlichen Vorgaben in den einzelnen
Ländern, welche Vorhaben genehmigungs- und
anzeigefrei sind, ist im Interesse einer so weit
wie möglich einheitlichen Auslegung des
Energieeinsparrechts anzustreben, dass die
Unterschiede gegenüber genehmigungs- und
anzeigepflichtigen Vorhaben gering bleiben. Im
letztgenannten Fall kann schon allein der
Bauantrag oder die Bauanzeige die Anwendung
alten Rechts sichern. Der
Gleichbehandlungsgrundsatz spricht dafür,
Vorleistungen, die einen mindestens
gleichartigen Planungsfortschritt dokumentieren,
dem "Beginn der Bauausführung" gleichzusetzen
und damit vergleichbar den genehmigungs- und
anzeigepflichtigen Vorhaben zu behandeln.
-
Hat der Bauherr
bereits Material beschafft, das nicht ohne
weiteres für eine Ausführung nach neuem Recht
geeignet ist, so ist davon auszugehen, dass mit
der Anwendung der EnEV auf das Vorhaben
zusätzliche Kosten und Verzögerungen auftreten.
In den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen des
Verordnungsgebers, die den Anforderungen auf
Grund von § 5 [Gemeinsame Voraussetzungen für
Rechtsverordnungen] Absatz 1
Energieeinsparungsgesetz [EnEG 2001] zugrunde
liegen, sind jedoch keine Kosten berücksichtigt,
die durch den Umtausch ungeeigneten Materials
oder durch die Verwendung vorhandenen, nicht
optimalen Materials begründet sind. Auch dürfte
eine zusätzliche Verzögerung durch den Umtausch
vorhandenen Baumaterials zumindest dann als
unangemessene Härte anzusehen sein, wenn der
Baubeginn nach dem In-Kraft-Treten der
Verordnung durch Umstände verursacht wurde, die
der Bauherr nicht beeinflussen konnte
(beispielsweise die Witterung).
-
Vergleichbar ist
die Lage bei bereits weit fortgeschrittenem
Planungsprozess. Verzögerungen und
Planungs-Mehrkosten, die eine Neuplanung in der
Regel zur Folge hat, sind nicht zwangsläufig
gemäß dem Wirtschaftlichkeitsgebot in § 5 (1)
Energieeinsparungs-Gesetz durch eingesparte
Energiekosten abgedeckt.
-
Allerdings wäre
das Vorliegen eines Härtefalls regelmäßig dann
zu verneinen, wenn die hier in Rede stehenden
Vorleistungen nach Verkündung der EnEV erbracht
wurden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die am
Bau Beteiligten über das neue Recht und das
Datum des In-Kraft-Tretens hätten informiert
sein müssen.
-
Zumal im Falle
einer restriktiven Auslegung des Begriffs
"Beginn der Bauausführung" meist ohnehin
Befreiungen nach
§ 17 [Befreiungen] auszusprechen wären, die
dann aber einen Antrag des Bauherrn und eine
Einzelfallprüfung erfordern würden, wird im
Interesse der Verringerung des
Verwaltungsaufwandes davon ausgegangen, dass dem
Tatbestand des "Beginns der Bauausführung"
gleichzusetzen sind:
-
die
mengenmäßig nicht unerhebliche Beschaffung
von Material, das für eine Ausführung nach
neuem Recht ungeeignet ist, sowie
-
der Abschluss
der Ausführungsplanungen vor dem 16.
November 2001 [der Verkündung der neuen
Regeln].
DIBt: Beginn der Bauausführung bei genehmigungs- und
anzeigenfreien Bauvorhaben - Auslegung zur EnEV 2002
§ 19 (2)
Achtung: Die
amtlichen Auslegungen zur EnEV sind nicht
rechtsverbindlich, doch die Bauämter orientieren
sich nachweisliche an ihnen. Für inhaltliche Fragen
zu den EnEV-Auslegungen wenden Sie sich bitte NICHT
an das DIBt, sondern an eine der beiden folgenden
telefonischen Hotlines:
- Deutsche Energie-Agentur (dena) - Tel. 08 000 736
734
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR):
Telefon: + 49 (0) 228 / 99 401 - 22 44
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